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Weg damit! Wirklich?

Da ist Marie Kondo, die japanischen Aufräum-Koryphäe. Auch wenn eine Kollegin und Freundin auf sie und ihre stehenden Klamotten schwört, mir ist die Frau unheimlich.

Die Idee, dass weniger Zeug auf dem Schreibtisch und im Schrank das Leben leichter machen, will mir nicht einleuchten.

Diese Blogger, die mit 100 Gegenständen zurechtkommen wollen, wo ich schätzungsweise 30.000 mein Eigen nenne, machen mir Angst.

Ich bin eine Sammlerin von Herzen. Das „bloß nicht weg damit“ liegt mir in den Genen. Mein Zwischenruf „Das ist noch zu gebrauchen!“ lässt andere die Augen rollen. Ich habe auch schon mal in Betracht gezogen, dass es ein transgenerationales Thema ist – von meiner Mutter weiß ich, dass sie früher den Zwirn von aufgetrennten Nähten nochmal vernäht haben.

Was aber gibt es Schöneres als die neu aus alten Brettern und Platten zusammengesetzte Kücheneinrichtung? Keine sibirische Kiefer musste dafür fallen, keine Schraube, die nicht schon woanders gesteckt hat. Andere hätten das Holz beim Auszug entsorgt; bei mir wartete es im Keller auf seine Wiedergeburt als Spülschrank. Ein bisschen verzogen, gestückelt, vergraut – das ist doch noch zu gebrauchen. Ausflug zum Baumarkt? Nicht nötig.

Da ist mein heiliger Kubikmeter, dem Schuppen abgetrotzt, in dem ich stapeln und stellen darf, was mir erhaltenswert scheint.

Gardinenstangen, mit denen ich mein Tomaten stütze. Stuhllehne zu Beetumrandung, aus den Strohballen geprokelte, liebevoll aufgerollte Plastikschnüre.

Die kann doch niemand im Ernst nach nur einer Benutzung vernichten?!

Wo soll das denn alles hin? Zur thermischen Verwertung etwa? Ich weiß seit einem Auftrag für ein Entsorgungsunternehmen, wo der Filterstaub aus den Heizkraftwerken – und übrigens aus aktuellem Anlass – auch aus den Krematorien landet. Dankeschön, das ist nicht nötig.

Neuerdings habe ich mir zum Ziel gesetzt, jede auch nur irgendwie einsetzbare Plastikverpackung mindestens einmal wiederzuverwenden – einfach um mal zu sehen, wie viel sonst gedankenlos in die Tonne wandert. Es ist furchtbar – und ich kaufe schon wenig.

Weg damit … heißt auch Platz schaffen. Den die meisten, außer Mari Kondo vielleicht – nach zwei Jahren wieder vollgestellt haben werden.

Was soll das? Wer Dinge kauft, soll sie behalten. Oder wie sagte der Kleine Prinz: Du bist ewig für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose, deine Dose, deine Bluse, deine Designervase verantwortlich.

Gut, verschenken, das geht. Wenn jemand anders das Dings gebrauchen kann, das ist – wenn ihr mich fragt – die einzige Entschuldigung für „weg damit“.

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